Ich führe ja inzwischen nur noch sehr selten geplante Expositionen durch, da hier einfach der Bedarf bei mir nicht mehr so hoch ist. Meist reagiere ich im Alltag prompt auf die Zwangsgedanken und halte sie aus. Das funktioniert für mich sehr gut und ich kann dadurch wieder annähernd ohne Einschränkungen leben.
Aber diese Woche ist es so weit, dass ich mich mal wieder geplant einem Thema stelle, das in mir sehr lange großes Unbehagen und Angst ausgelöst hat.
Und zwar hat es etwas mit meiner Wohnung zutun. Wie ich bereits oft erzählt habe, konnte ich vor einiger Zeit mein Zuhause nicht mehr verlassen, da mir das Leben außerhalb aufgrund einer Vielzahl von Befürchtungen viel zu gefährlich erschien. Meine Wohnung war für mich hingegen eine sichere „Festung“, in die ich - außer natürlich meinen Partner - am Liebsten niemand hineingelassen hätte. Wenn das dann doch mal passierte, suchte ich in meinem Kopf tagelang nach Beruhigung, warum schon nichts passieren wird - und die Angst wurde immer größer. Durch meine Zwangsgedanken vertraute ich fast niemandem mehr - vor allem aber mir selbst nicht. Und auch für den Fall, dass ich tatsächlich von der Polizei abgeholt worden wäre, hatte ich versucht, dort alles so zu gestalten, dass man mir möglichst wenige Straftaten, die ich unbemerkt und ungewollt durchgeführt haben könnte, nachweisen konnte.
Klingt verrückt? Ja - das war es. Vor allem, weil ich gleichzeitig wusste, dass das, was ich tat, absoluter Schwachsinn war.
Mit der Zeit habe ich mich der Sorge, dass vielleicht jemand etwas in meiner Wohnung finden und es bei der Polizei abgeben könnte, sehr oft gestellt und die Angst ist nicht mal mehr annähernd so groß wie früher. Aber dennoch ertappe ich mich auch immer mal wieder dabei, es irgendwie zu vermeiden, jemanden bei mir Zuhause zu treffen. Während ich mich heute wieder ganz normal in der Öffentlichkeit bewegen kann, ist die Angst in Bezug auf die Wohnung in gewisser Weise noch vorhanden.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich bekomme in dieser Woche noch Besuch von einer „fremden“ Person, die mich zu meinem Leben mit Zwangsstörung interviewen wird und das Interview wird bei mir Zuhause stattfinden. Vor einiger Zeit hätte ich vermutlich ALLES versucht, um das Interview irgendwo außerhalb führen zu können, damit wenigstens meine Wohnung „sicher“ bleibt - wenn ich doch schon in einem öffentlichen Format meinem Zwang den Kampf ansage. Aber ich bin inzwischen an dem Punkt angekommen, an dem ich mich wirklich nicht mehr selbst austricksen möchte.
Ich bin total nervös und habe Angst, aber ich erinnere mich immer wieder daran, dass auch diese Exposition wieder langfristig dazu beitragen wird, dass ich in „Freiheit“ leben kann.
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