Zur Entstehung meiner Erkrankung haben viele Faktoren beigetragen. Da das alles sehr komplex ist, werde ich nur kleine Teile grob umschreiben, mit denen ich mich wohlfühle.
Ich erinnere mich daran, dass ich bereits als Kind schnell ängstlich und verunsichert war und ein starkes Sicherheitsbedürfnis hatte. In mir war früh das Gefühl entstanden, eine große Verantwortung zu tragen und niemanden enttäuschen zu dürfen, was rückblickend über das "normale" Empfinden eines Kindes deutlich hinaus ging. Hinzu kamen Manipulation durch Bezugspersonen und Kontaktverluste von Menschen, die mir vorher viel Sicherheit gaben.
Zurück blieb ein innerlich stark verunsichertes Kind, das das Gefühl hatte, an allen Geschehnissen Schuld zu sein und die Verantwortung für diese, für sich selbst und für andere übernehmen zu müssen.
Also versuchte ich von nun an, möglichst niemanden mehr zu verärgern, damit ich nicht noch einmal fallengelassen werde. Daraus festigten sich Glaubenssätze, die später verhängnisvoll wurden. Der Preis hierfür war, dass ich meine eigenen Bedürfnisse fast gänzlich abspaltete (und wenn überhaupt nur heimlich wahrnahm) und mich so verhielt, dass alle Bezugspersonen "glücklich" waren.
Dem inneren Drang nach Freiheit gab ich jahrelang nicht statt, sodass in mir ein extrem starker innerer Konflikt entstand, weil es mir aus Angst und Druck nicht gelang, mich an meinen eigenen Bedürfnissen und Werten zu orientieren.
Ich wollte einfach nur alles möglichst richtig und gut machen, damit niemand enttäuscht von mir war. Der perfekte Nährboden für eine Zwangsstörung war also entstanden. Ab hier war die Schuld mein ständiger Begleiter, weil ich das Gefühl hatte, den äußeren Anforderungen nicht entsprechen zu können.
Hinzu kam der Umstand, dass ich nicht lernte, dass die Meinung anderer egal ist. Im Rahmen meiner Sozialisation war es normal, dass sich viele Menschen fast ausschließlich damit beschäftigten, was andere Menschen vermeintlich "falsch" machten. Dies löste in mir eine existenzielle Angst aus, die nächste Person sein zu können, über die gesprochen wird.
Die Erkrankung übernahm also die Funktion, mir Sicherheit und Kontrolle im Leben zu geben, wenn ich Angst hatte, jemanden enttäuscht oder einen Fehler gemacht zu haben. Je älter ich wurde, desto stärker wurde die Angst, da mein eigenes inneres Lebenskonzept anders aussah als jenes, das ich nach außen hin lebte. Dies stürzte mich noch weiter in eine tiefe Verzweiflung und Schuldgefühle.
Über die Jahre festigten sich die Verhaltensmuster und sie wurden immer schlimmer, bis ich mich fühlte, als ob ich allein aufgrund meiner Existenz schon schuldig an äußeren Ereignissen war. Worin die Krankheit gipfelte, kann du unter "Meine Krankheitsgeschichte"nachlesen.
Heute weiß ich, dass ich selbst der einzige Mensch bin, den ich glücklich machen muss und dass die Meinung anderer absolut irrelevant ist. Gleichzeitig versuche ich, möglichst wenig über Entscheidungen anderer Menschen zu urteilen, da ich hierzu einerseits keinerlei Recht habe und sie andererseits für mein eigenes Leben ohnehin keine Rolle spielen. Jeder Mensch sollte zu jeder Zeit das machen, was ihn selbst glücklich macht. Auch wenn das bedeutet, dass andere Menschen hierdurch enttäuscht sein könnten.
Eine jede Person ist letztlich für ihr eigenes Seelenwohl verantwortlich.
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